Delta macht chatten besser

Alle chatten jetzt mit WhatsApp oder ähnlichen Messengern - naja nicht alle, aber ziemlich viele. Etwa sechs Milliarden E-Mail-Adressen gibt es auf der Welt und über eine Milliarde chatten jetzt, statt zu mailen. Warum nur? Chatten ist die leichteste Art zu kommunizieren - leider noch mit Haken.

Diese Leichtigkeit wird belohnt. Und das trotz etlicher Haken an der Sache. Denn Absender und Empfänger müssen sich beide bei WhatsApp oder bei vergleichbaren Messengern erst einmal eintragen. Nur dann geht es einfach. Die kleine Hürde ist schnell erledigt, wenn der Absender den Empfänger überredet, auch bei WhatsApp mitzumachen - besonders, wenn das neue Mitglied die 20 Seiten Geschäftsbedingungen mit einem schnellen Häkchen passiert - natürlich ohne diesen nervigen Test genau zu lesen. Wozu auch? Er will da rein, wo auch alle seine Freunde schon längst sind.

Mit 29 Dollar zugunsten von WhatsApp bewertete der Markt übrigens Deine kostenlose Überrede-Werbung eines neuen Mitglieds, jedenfalls zum Zeitpunkt, als Facebook WhatsApp kaufte.

Richtig gut geht es, erlaubst Du WhatsApp den Zugriff auf Dein Adressbuch. Und da ist der nächste Haken an der Sache. Akzeptierst Du die AGB, das musst Du ja, zum Mitmachen, dann geht WhatsApp davon aus, alle Adressaten im Adressbuch sind damit einverstanden, wenn Du sie und Dein ganzes Geflecht von Beziehungen dem Konzern weitergibst. Praktisch bittet aber niemand irgendjemanden um Zustimmung. Beispiel: Du hast 30 Freunde in Deinem Adressbuch. Du gestattest WhatsApp den Zugriff. Ein Klick für Dich, 30 neue Adressaten sind bekannt und 900 Dollar klingeln dafür bei WhatsApp in der Kasse. Und sollte es wirklich mal Ärger geben, im im Zweifel bist Du schuldig. Der Konzern ist in jedem Fall fein raus.

Sogar Geschäftsbeziehungen mit sensiblen Daten laufen schon über die privaten Server amerikanischer oder russischer Konzerne - unter ihren Bedingungen. Die Deutsch Bank verbietet neuerdings WhatsApp auf Diensthandys. Wenn Apotheken Rezepte via WhatsApp annehmen, nur um sich ein modernes Image zu geben oder vielleicht Kunden zu halten, tauchen dann bald in der Werbung die Adressen von Psychologen oder Psychiatern in Deiner Nähe auf?

Datenschützer, zuweilen auch Eltern, kritisierten das Geschäft mit ihren Kindern und das Ausspionieren ihrer Beziehungen. Ohne großen Erfolg bisher. Außer Gemecker haben sie ja auch nichts Besseres zu bieten. Spaßverderber punkten nicht.

Und was machen eigentlich die E-Mail-Betreiber, während ihre Konkurrenz rasant wächst und immer mehr Kunden abwandern? Sie machen: „Nichts“. Kein E-Mail-Anbieter hatte bislang ihren Kunden das Leben so einfach gemacht, wie WhatsApp & Co. es konnten. Sie bewundern wohl noch das Problem. Eher gibt es Baustellen. Beispiel Ankündigung Microsoft. 2015 startete das “Send”-Projekt, ein Messenger auf E-Mail-Basis. Das Web-Magazin T3N titelte: “Geht es jetzt WhatsApp an den Kragen?” Zwei Jahre später verkündete die offizielle MS-Website: “EXPERIMENT COMPLETE. Thanks for the feedback!” - anstelle eines Downloads.

Alles nicht so wichtig? Gedankenexperiment: Man stelle sich vor, WhatsApp wäre schon in der Weimarer Republik erfunden. Dann kommen die Nazis an die Macht. Nun muss die Gestapo nur wenigen Konzernen einen sehr diskreten Besuch abstatten und schon kennen sie jeden Juden, Regimegegner - sogar diejenigen, die selbst nie auf WhatsApp waren. Irgend ein Freund wird auch Deine Adresse hochgeladen haben. Und sie wissen, wer mit wem zusammengluckt. Mit Hilfe der Bewegungsprofile wissen sie zudem, wo wer am besten zu verhaften wäre. Spinnkram? Schaue doch mal nach Polen, Ungarn, Amerika, in die Türkei. Wer hatte einen so schnellen Verfall der Demokratie erwartet?

Hier ist ein Bild

2017 veröffentlicht Björn Petersen auf Github den Open Source Code des E-Mail-Messengers “Delta Chat”. Der erste IMAP-Messenger, den sich jedefrau/jedermann einfach auf sein Android Smartphone laden kann, funktioniert - noch mit den Einschränkungen der Beta-Version. Ein halbes Jahr konzeptionelle Überlegungen und die App, die WhatsApp ersetzen kann, betritt die Weltbühne.

Warum Delta Chat besser ist? Es nutzt die Vorteile von WhatsApp sofort - und erreicht a l l e Menschen auf diesem Planeten, die eine E-Mail-Adresse haben - nicht nur die WhatsApp Mitglieder. Wer die neue App auf sein Handy lädt, kann sofort chatten, muss niemanden erst einmal überreden, irgendwohin zu wechseln. Delta Chat fühlt sich an wie WhatsApp. Wenn beide Partner das gleiche Gefühl wollen, so laden beide Delta Chat auf ihr Handy - und beide chatten wie mit WhatsApp. Muss aber nicht. Einer kann auch für sich allein entscheiden so zu chatten. Der andere mailt dann eben weiter klassisch.

Doch der Hauptvorteil ist unsichtbar: Wer Delta Chat auf sein Handy lädt muss keine Geschäftsbedingungen für die Nutzung unterschreiben! Delta Chat ist sicher. Bei Bedarf kann jeder die Versprechungen von Delta Chat prüfen - muss nicht gläubig sein. Das ist einmalig.

Viele Gründe sprechen für Delta Chat. Es bringt Spaß, so mit Freunden so zu chatten, darum geht es, klar! Es ist datenschützerisch sauber, im Alltag leider kein spürbarer Vorteil. Es bringt Spaß mitzumachen, David gegen Goliath. Auch mal ein bisschen David sein. Will Dich künftig jemand überreden bei WhatsApp mitzumachen, dann antworte einfach: “Delta Chat”.

Was fehlt (noch)? Delta Chat läuft unter Android. Die Versionen für Apple, Blackberry, etc. benötigen noch Unterstützer. Gleiches gilt für den Einbau der “Ende zu Ende”-Verschlüsselung. Und jede Menge Spielkram - da wird es wohl nie ein “Fertig” geben.

Weitere Details

PS: Duzen erfolgt nicht aus Respektlosigkeit, sondern weil das Thema allein schon so kompliziert und ernst, ist, dass ein “Sie” es unnötig kälter machen würde.